Ich habe mich oft gefragt, ob ich jemals bei einem Jagdausflug mit dabei sein will. In der Vergangenheit hatte ich immer ein ambivalentes Verhältnis zu Jägern und dem Jagen. Bilder von Jagdgruppen, die hinter ihren erlegten Trophäen mit stolz geprellter Brust posieren, Fotos angeschossener Tiere im Wald haben sich lange bei mir im Gedächtnis eingeprägt.
So sehr war ich verwundert, mich „Ja“ sagen zu hören, als ich das Angebot bekam, einen morgendlichen Jagdausflug zu begleiten. Hier die ganze Geschichte des vierten Tages:
Am Abend des dritten Tages stand ich auf dem Hof der Försterei des Forstreviers Seeste, als mein Segway die letzten Reserven aus seinem Akku abgerufen hatte. Er war leer. Ein wenig irritiert blickte mich die im Innenhof stehende Jägerschaft an.
Meiner Bitte, mir eine Steckdose zum Aufladen für eine Weile zur Verfügung zu stellen, wurde prompt erfüllt und schon stand ich mitten unter Jägern. Ich muss gestehen, dass ich, wenn es hoch kommt, nur 20 Prozent der Gesprächsinhalte verstanden habe – der Begriff „Jägerlatein“ kommt nicht von ungefähr.
Astrid, die Ehefrau des Forsters Rainer – keine Angst, es wird kein Heimatroman – bot mir Essen und Trinken an, während ich einem „Jungjäger“ beim Säubern eines frisch geschossenen Rehbocks über die Schulter sah. Mit der Zeit kamen immer mehr Jäger vorgefahren und gesellten sich zu uns.
Ich verstand nichts mehr. Eine völlig unbekannte Sprache für mich, die hier gesprochen wurde. Es war spät am Abend, als mir Johannes Sievert, ein Jäger aus Meppen, anbot, auf seinem benachbarten Landgut (www.stiftung-schoellerhof) zu übernachten und frühmorgens, falls ich Interesse hätte, ihn auf die Jagd zu begleiten.
Ich sagte zu und fand mich um 4.30 Uhr, verwundert über mich selbst, auf einem Ansitz am Waldesrand wieder. Zu zweit saßen wir auf einem Stück Holz in einem zirka ein mal ein Meter großen Holzkasten und beobachteten das Feld vor uns, als urplötzlich eine Ricke (ein weibliches Reh) und ein Rehbock vor uns auftauchten und auf dem Boden nach Nahrung suchten.
Ich merkte, wie der Jäger neben mir überlegte, ob er auf den Rehbock anlegen solle oder nicht. Er beobachtete ihn eine zeitlang durch sein Fernrohr, bis er sich endlich entschloss, kurzerhand anzulegen und zu schießen. Mir war nicht klar, ob der Rehbock getroffen war, oder nicht, da er eine kurze Zeit bewegungslos auf der Stelle stand, bis er, ohne weitere Bewegung, einfach nur umfiel. Die Ricke lief irritiert langsam im Gras umher.
Wir stiegen vom Ansitz und gingen auf den im Gras liegenden Rehbock zu. Er lag tot im Gras. Ein präziser Treffer. Was nun geschah, ist mit Sicherheit nicht jedermanns Sache, aber wer A sagt muss auch B sagen. Johannes band den toten Rehbock an den Läufen zusammen und trug ihn in die Nähe des Ansitzes. Er nahm sein Messer und machte sich sofort an das Ausnehmen des Rehbocks.
Die ganze Prozedur dauerte keine 10 Minuten. Wir holten den Landrover und verstauten den ausgenommenen Rehbock in einer Wanne im Heck. Wir fuhren durch unwegsames Gelände Richtung Försterei, als ich die letzten zwei Stunden nochmal Revue passieren ließ und zu folgendem Fazit kam:
Wenn gut ausgebildete und fachgerecht handelnde Jäger und Förster in der oben beschriebenen Form jagen, sich um den Wildbestand verantwortungsvoll kümmern und auch selbst das Wild zubereiten und verzehren, dann ist mir das Jagen in dieser Form allemal lieber, als Tiertransporte über hunderte von Kilometern zu Schlachthöfen fahren zu sehen.
Ich werde mich auf jeden Fall nach diesem Erlebnis noch öfter mit dem Thema beschäftigen und gesondert darüber unter www.seggy.net schreiben.
Wir lieferten den Rehbock an der Försterei ab und machten uns auf den Weg zum Gutshof. Johannes musste zur Arbeit nach Meppen und ich weiter in Richtung Bramsche. Ich bedankte mich herzlich für die Unterkunft auf seinem Gut, seine Gastfreundschaft und die interessante Erfahrung vom Morgen und verließ den Hof.
Den Resttag verbrachte ich mit einem reinen Kultur- beziehungsweise Museums-Programm: Ich besuchte das Tuchmacher Museum in Bramsche (www.tuchmachermuseum.de) und auf den Weg weiter nach Bad Essen, das Varusschlacht Museum in Kalkriese (www.kalkriese-varusschlacht.de) über die ich ausführlicher gesondert unter www.seggy.net in den nächsten Tagen berichten werde.
Wie ich die kommende Nacht und den darauf folgenden Tag verbracht habe, erzähle ich euch morgen.
Ich kann nur sagen: Zufälle gibt’s?! Man trifft sich immer zweimal im Leben – zum Glück!
Euer Seggy
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