Die Tour war nun vorbei und ich war am „Tor zur Welt“ angekommen – und kam vorerst nicht weg. In Hamburg musste ich direkt nach meiner Ankunft feststellen, dass hier der Ton und der Umgang untereinander nach anderen Regel und einiges rauer verläuft, als in so mancher Kleinstadt, die ich während der Tour durchfahren und kennengelernt habe.
So wurde ich zum Beispiel am AO Hostel auf der Reeperbahn vom Sicherheitsdienst des Hostels aufgefordert, unverzüglich das Gelände zu verlassen, nachdem mir der Pförtner unmissverständlich mitteilte, dass ich im Hotelbereich lediglich als zahlender Hotelgast erwünscht sei – was ich eigentlich an diesem Abend noch werden wollte.
Da ich vor hatte, früh am Morgen auf den Hamburger Fischmarkt zu gehen, beschloss ich, die kurze Nacht bei McDonalds am Bahnhof Altona zu verbringen und parkte meinen Segway zum Aufladen am Intercity-Hotel am Altonaer Bahnhof, wo mir freundlicherweise eine Steckdose im Eingangsbereich des Hotels zur Verfügung gestellt wurde.
Gegen 6 Uhr kam ich am Fischmarkt an und fuhr direkt zur Alten Fischauktionshalle. Ich liebe diesen Ort. Wo sonst gibt es Sonntagmorgens um diese Uhrzeit kostenlose Live-Musik von zwei sich abwechselnden Bands auf zwei gegenüberliegenden großen Bühnen?
Ich kaperte einen leeren Strandkorb in unmittelbarer Nähe der Bühne, auf der die Soulband „Soul 8/15“ gerade „Everybody needs somebody“ zum Besten gab und schaute mir das rege Treiben vor der Bühne an. Hier trifft sich den ganzen Morgen über Gott und die Welt, egal ob Überlebender einer Kiez-Party, Schicki oder Micki, Fischmarkt-Tourist oder Obdachloser von den Landungsbrücken.
Bis zum Mittag blieb ich hier, genoss die tolle Stimmung und ruhte mich in meinem Strandkorb ein wenig aus. Während meiner Bundeswehrzeit war ich in Hamburg stationiert und kenne Hamburg seitdem sehr gut. Am Nachmittag fuhr ich die bekanntesten Stellen im Hamburger Zentrum ab: Alte Speicherstadt, Hafen-City, Rathausplatz und Binnenalster, Aussenalster, Schanzenviertel, Hauptbahnhof und St. Georg.
Ich musste feststellen, dass Hamburg ein Paradies für Segway-Fahrer ist. Fast überall gibt es große breite Radwege, auf denen man beidseitig fahren darf. Bei den Ausmaßen der Innenstadt kann ich nur empfehlen, eines der modernen und überall in der City verfügbaren roten City-Bikes zur Sightseeing-Tour, natürlich mit Stadtplan bewaffnet, auszuleihen.
*09.04.1964 – †08.06.2024
Am Nachmittag fuhr ich aufs Land nach Barmstedt und besuchte einen alten Freund und seine Familie, bei dem ich bis zum nächsten Tag blieb.
Schon vor meiner Canal-Grande-Tour vom Duisburger zum Hamburger Hafen, überlegte ich mir, dass es eigentlich zu profan wäre, nach dieser langen Tour einfach mit dem Zug zurück ins Ruhrgebiet und nach Krefeld zu fahren. Ich entschied, mit einer Spedition und einem Lkw zurück in die Heimat zu fahren und suchte schon im Vorfeld die Telefonnummern und Adressen verschiedener Krefelder und Duisburger Speditionen heraus, um Montags eine mögliche kostenlose Mitfahrgelegenheit zu organisieren.
Leichter gesagt als getan, wie ich feststellen musste. Nach mehrstündigen erfolglosen Telefonaten fand ich jedoch die Krefelder Spedition ELKA (www.elka-international.com), die bereit war mich und meinen Segway nach Krefeld mitzunehmen.
Einziges Problem: die Lkw’s laden immer Donnerstags in Hamburg – und wir hatten Montag. Also doch die Bahn? Nein. Hamburg ist eine schöne Stadt, ich hatte Freunde hier in der Nähe und wenn ich schon sieben Tage länger für die Tour nach Hamburg brauchte, dann kann ich die zwei Tage bis Donnerstag auch noch in Hamburg bleiben und die Stadt genießen.
Die kommende Nacht blieb ich erneut bei meinem Freund in Barmstedt und fuhr am Dienstag mit dem Segway übers Land nach Hamburg. Dank CouchSurfing (www.couchsurfing.org) organisierte ich eine Übernachtungsmöglichkeit in der Nähe des Hauptbahnhofes und quartierte mich dort für die kommenden 2 Nächte bei Gerlinde und ihrem Freund Roland ein.
Um nicht einfach nur an der Alster herum zu sitzen, suchte ich interessante und für mich neue Orte in der Stadt auf. So entdeckte ich Winterhude und Uhlenhorst, die zwei zur Zeit angesagtesten Wohnviertel Hamburgs in unmittelbarer Nähe zur Aussenalster. Das Café Fiedler, dass seit Anfang Mai von einem aus Krefeld stammenden Gastronomen und dem Kaffeehausbetreiber Julius Meinl gemeinsam bewirtschaftet wird, liegt direkt am Alsterdampfer-Anleger „Mühlenkamp“ und ist eine tolle Location für jeden, der am Wasser in einer ungewöhnlichen Atmosphäre und tollen Location chillen möchte.
Ich zumindest habe es sofort zu meinem Büro und „Café of the week“ umfunktioniert. Direkt gegenüber auf der anderen Straßenseite gibt es noch eine weitere Perle Hamburg zu sehen: Die Elbgold Kaffeerösterei, eine von noch vier in Hamburg existierenden Röstereien (www.elbgoldkaffee.de) mit kleinem Kaffee und Direktverkauf der hier vor Ort gebrannten Kaffeesorten.
Der Laden und die Kaffees sind so hipp, dass Annika und Thomas, die beiden Gründer und Inhaber, gerade eine weitere größere Rösterei im Hamburger Schanzenviertel einrichten und im Juli eröffnen wollen um der Nachfrage nachkommen zu können. Ich kann nur sagen: „‚Ich liebe den Duft von frisch geröstetem Kaffee.“
Am Donnerstagmorgen war es dann soweit. Ich fuhr um 6 Uhr in den Hamburger Hafen, da mich um 8 Uhr mein Lkw für die Heimreise in Altenwerder aufnehmen sollte. Bei der Fahrt durch den Freihafen und entlang der Container-Terminals und Ölspeicher am Kattwykhafen stellte ich erneut fest, wie groß der Hamburger Hafen in Wirklichkeit ist.
Ich brauchte anderthalb Stunden, um durch das Hafenviertel zu kommen und kam zum Glück pünktlich bei meinem Lkw an. Laci, mein rumänischer Fahrer, war gerade beim Beladen und verstaute meinen Segway im vorderen leeren Container des Lkw.
Die Spedition ELKA ist eine deutsch-rumänische Spedition mit Sitz in Krefeld, die sehr stark in Osteuropa und der Türkei tätig ist und sich auf den Transport von Textilien spezialisiert hat – ab sofort zählen auch Segway’s und deren Fahrer zu ihrem Frachtgut.
Wir fuhren, nach einem kurzen Zwischenstopp in Buxtehude, direkt auf die A1 Richtung Süden. Irgendwie kam ich mir vor wie an Bord eines meiner Binnenschiffe: ruhig und entspannt steuerte auch Laci den Lkw – man muss schon zum Trucker und Binnenschiffer geboren sein, glaube ich. Nach vier Stunden erreichten wir Duisburg und ich erblickte bei der Überfahrt über den Rhein-Herne-Kanal die Schleuse Meiderich, an der ich vor mehr als zwei Wochen bei meiner Abfahrt in Duisburg vorbeigekommen war.
Ich wurde wehmütig und erinnerte mich an die verschiedenen Erlebnisse meiner Tour, als ich plötzlich aus meinen Tagträumen geweckt wurde und wir auf den Speditionshof in Krefeld fuhren. Ich war wieder hier, zu Hause in Krefeld – gedanklich aber noch bei meinen neuen Bekannten, Freunden und Erlebnissen meiner Canal-Grande-Tour.
Euer Seggy.
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